ADHS bei Erwachsenen verstehen
Was ist ADHS?
Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine neurobiologische Entwicklungsstörung, die bereits im Kindesalter beginnt und häufig bis ins Erwachsenenalter fortbesteht. ADHS ist am besten als ein Syndrom beschreibbar. Das bedeutet, dass verschiedene Symptome gleichzeitig auftreten und zusammen das charakteristische Störungsbild ergeben.
Die drei Hauptsymptombereiche
1. Aufmerksamkeitsstörungen
Schwierigkeiten bei der Konzentration und Fokussierung auf Aufgaben, besonders bei routinemäßigen oder wenig stimulierenden Tätigkeiten.
- Probleme, sich länger auf eine Aufgabe zu konzentrieren
- Leichte Ablenkbarkeit durch äußere Reize oder eigene Gedanken
- Schwierigkeiten, Details zu beachten oder Flüchtigkeitsfehler
- Vergesslichkeit im Alltag und bei Terminen
- Probleme beim Zuhören, auch wenn direkt angesprochen
2. Hyperaktivität
Bei Erwachsenen zeigt sich Hyperaktivität oft subtiler als bei Kindern, häufig als innere Unruhe oder Getriebensein.
- Innere Unruhe und Rastlosigkeit
- Schwierigkeiten, längere Zeit ruhig zu sitzen
- Ständiges Gefühl, "unter Strom" zu stehen
- Probleme beim Entspannen oder "Abschalten"
- Übermäßiges Reden oder ständige Aktivität
3. Impulsivität
Schwierigkeiten, Handlungen und Reaktionen zu kontrollieren oder zu durchdenken, bevor gehandelt wird.
- Vorschnelle Entscheidungen ohne Durchdenken der Konsequenzen
- Schwierigkeiten, abzuwarten oder sich zu gedulden
- Unterbrechen anderer im Gespräch
- Emotionale Überreaktionen
- Spontane Käufe oder impulsive Handlungen
Wender-Utah-Kriterien für ADHS bei Erwachsenen
Die Wender-Utah-Kriterien sind spezielle diagnostische Kriterien, die für die Erfassung von ADHS bei Erwachsenen entwickelt wurden und alltägliche Anzeichen und Problembereiche systematisch erfassen (zusammengefasst):
Aufmerksamkeitsstörungen im Alltag
- Schwierigkeiten, sich auf langweilige oder routine Aufgaben zu konzentrieren
- Probleme beim Lesen längerer Texte oder beim Verfolgen von Gesprächen
- Häufiges Verlieren von Gegenständen (Schlüssel, Handy, Dokumente)
- Vergessen von Terminen, Deadlines oder wichtigen Aufgaben
- Schwierigkeiten bei der Organisation des Alltags
Hyperaktivität und innere Unruhe
- Ständiges Gefühl der inneren Anspannung
- Schwierigkeiten, entspannende Aktivitäten zu genießen
- Unruhe beim Sitzen in Meetings oder bei längeren Gesprächen
- Ständiger Drang, beschäftigt oder aktiv zu sein
- Probleme beim Einschlafen aufgrund kreisender Gedanken
Impulsivität im Erwachsenenalter
- Vorschnelle Entscheidungen bei wichtigen Lebensfragen
- Schwierigkeiten, kritisches Feedback anzunehmen
- Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen durch impulsive Reaktionen
- Spontane Käufe oder finanzielle Entscheidungen
- Häufiger Wechsel von Arbeitsplätzen oder Beziehungen
Emotionale Dysregulation
- Häufige Stimmungsschwankungen
- Niedrige Frustrationstoleranz
- Überempfindlichkeit gegenüber Kritik
- Schwierigkeiten, mit Stress umzugehen
- Explosive Wutausbrüche bei geringfügigen Anlässen
Desorganisation
- Chronische Probleme mit Zeitmanagement
- Schwierigkeiten bei der Priorisierung von Aufgaben
- Probleme beim Einhalten von Strukturen und Routinen
- Häufiges Aufschieben wichtiger Aufgaben (Prokrastination)
- Chaos am Arbeitsplatz oder zu Hause
Auswirkungen von ADHS im Erwachsenenalter
Berufliche Auswirkungen
- Schwierigkeiten bei der Karriereplanung und -entwicklung
- Probleme mit Deadlines und Projektmanagement
- Häufige Arbeitsplatzwechsel
- Unterdurchschnittliche berufliche Leistung trotz hoher Intelligenz
- Konflikte mit Vorgesetzten oder Kollegen
Soziale und persönliche Auswirkungen
- Schwierigkeiten in romantischen Beziehungen
- Probleme in der Elternrolle und Familiendynamik
- Soziale Isolation aufgrund von Missverständnissen
- Geringes Selbstwertgefühl und Selbstzweifel
- Erhöhtes Risiko für Depressionen und Angststörungen
- und nicht zuletzt ein wesentlich erhöhtes Risiko für sekundäre psychische Erkrankungen
Alltägliche Herausforderungen
- Probleme bei der Haushaltsführung und Organisation
- Schwierigkeiten mit Finanzmanagement
- Probleme beim Autofahren (Unaufmerksamkeit, Ungeduld)
- Schwierigkeiten bei der Gesundheitsvorsorge
- Probleme mit Zeitmanagement und Pünktlichkeit
Wichtige Erkenntnisse
ADHS bei Erwachsenen ist eine behandelbare, aber nicht heilbare Störung. Viele Menschen erfahren erst im Erwachsenenalter, dass ihre lebenslangen Schwierigkeiten auf ADHS zurückzuführen sind. Eine professionelle Diagnostik ist der erste Schritt zu einem besseren Verständnis und einer erfolgreichen Behandlung. Eine dann einsetzende Behandlung kann wesentlichen Symptomdruck von den betroffenen nehmen
Nicht außer Acht zu lassen sind sekundäre psychische und psychiatrische Erkrankungen, welche als Folge einer unbehandelten ADHS/ADS entstehen und zu belastenden Lebenseinschränkungen führen können. Eine Psychotherapie ist spätestens hier zu überdenken.
Naturgemäß beschäftigt sich diese Diagnostikseite zu ADHS mit den Defiziten, daher ist es wichtig zu betonen, dass ADHS nicht nur Nachteile mit sich bringt. Viele Menschen mit ADHS zeigen auch positive Eigenschaften wie Kreativität, Spontaneität, Enthusiasmus und die Fähigkeit, in interessanten oder herausfordernden Situationen außergewöhnliche Leistungen zu erbringen.
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